Von Kurven und Winzern

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Zwischen Schwarzwald und Ortenau

Auch erschienen im Reiseführer „SCHWARZWALD auf dem Motorrad entdecken – BASECAMP SPEZIALAUSGABE“ Tour 2 aus 10 (S. 36 – 51).

Text: Werner Kirchhoff, Victoria Kuhn

Bilder: ADDI creare-imagos, Franz Kirchhoff

Ihre Kurven und die abwechslungsreiche Landschaft, die berühmte Schwarzwaldhochstraße sowie stets gute Aussichten auf den Schwarzwald machen die Highlights dieser Tour aus. Meist geht es dabei hochprozentig und hochklassig zu, wenn auch nur im übertragenen Sinne. Denn spätestens ab der Region Ortenau bewegt man sich nur noch entlang herrlicher, von der Sonne verwöhnter Hänge mit prächtigen Weinreben: Über Sasbachwalden und Stadelhofen, gefolgt von Nussbach und Durbach bis Oberkirch oder von Ringelbach nach Kappelrodeck sind bekannte Rotweine wie die „Hex vom Dasenstein“ oder der „Waldulmer Pfarrberg“ beheimatet. Und doch ist diese Region nicht nur Weinkennern ein Begriff.


Heute haben wir uns die Haus- und Hofroute meines Bruders Franz vorgenommen. Er beschreibt sie folgendermaßen: „Die bin ich gefühlt schon tausendmal gefahren. Ich kann mich aber trotzdem an den neben der Fahrbahn liegenden Schönheiten nicht sattsehen. Außerdem liebe ich die vielen herausfordernden Kurven.“ Nach dieser Ankündigung steigt auch bei mir die Vorfreude, sodass unser Trüppchen gut gelaunt und voller Tatendrang am Morgen von der Basis in Bad Wildbad losfährt.

Zuerst geht es das große Enztal hinauf. Vor und hinter dem Kaltenbronn, direkt am Fuß des Schwarzwalds, liegen vier ausgewiesene Wanderparkplätze. An der L 76b bleiben wir an zwei Fotopunkten stehen, die uns einen herrlichen Blick in die Rheinische Tiefebene bieten.

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Road Book

Kaltenbronn – Gernsbach – Schmalbach – Forbach – Raumünzach – Mehliskopf – Bühl – Neusatzeck - Unterstmatt – Sasbachwalden – Stadelhofen – Durbach – Kappelrodeck – Mitteltal - Igelsberg – Erzgrube – Bad Wildbad

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Wir stehen nun dort, wo Württemberg aufhört und Baden anfängt, und sehen heute sogar den Gebirgskamm der Vogesen und den Rhein. Große Findlinge weisen gut sichtbar auf die Aussichtspunkte neben der Fahrbahn hin.

Schon geht die Fahrt weiter in Richtung Gernsbach. Bald darauf entdecken wir das Schloss Eberstein. Es thront schon seit über 700 Jahren über dem Murgtal und bietet bis heute einen majestätischen Anblick. Heute befindet es sich in Privatbesitz und wird als Hotel mit angeschlossenem Restaurant betrieben.

Suche nach dem Glück

Kurze Zeit später fahren wir in Richtung Forbach, vorbei an dem in der Region äußerst bekannten „Waldhotel Forellenhof“. Bei den Giersteinen, das sind 160 Meter hohe, steil über der Murg gelegene Granitblöcke, halten wir abermals für ein Foto-Shooting. Diese Pause dient aber auch noch einem anderen Zweck: Wer auf der Suche nach dem Glück ist, kann an diesen Felsbrocken fündig werden, denn an den Giersteinen befindet sich ein Rundwanderweg namens „Glücksweg“. Unsere Route führt uns weiter über die L 442, dann der L 83 folgend nach Raumünzach – immer entlang der Murg, die dem Murgtal seinen Namen verlieh. Unsere Augen und Sinne wissen hier nicht, was sie zuerst aufnehmen sollen: Die kurvenreiche Strecke, die Sonnenspiegelungen im Fluss oder die wunderschöne, abwechslungsreiche Landschaft des Schwarzwalds. Den ersten Erfrischungs-Stopp dieser Tour legen wir an der Schwarzenbach-Talsperre ein.

Berühmt-berüchtigt

Beim Mehliskopf kreuzen wir die berühmte und berüchtigte Schwarzwaldhochstraße B 500. Berühmt, weil sie die schönste Bundesstraße des Schwarzwalds ist, und berüchtigt, weil hier jedes Jahr zahlreiche Biker verunglücken. Um dem Einhalt zu gebieten, sorgen die Behörden für unzählige Blitzer, Lasermessungen und Verkehrskontrollen.

Jetzt, unten im Bühlertal angekommen, erleben wir am Aussichtspunkt Wiedenfels eine grandiose Aussicht. Im Ort haben Besucher zudem die Möglichkeit, das alte Schmiedehandwerk im Museum Geiserschmiede näher kennenzulernen. Leider ist das Museum nur jeden zweiten und vierten Sonntag im Monat geöffnet. Wir sind natürlich an einem anderen Tag unterwegs.

Daher geht es direkt weiter in Richtung Bühl, wo das Stadtmuseum in der Schwanenstraße seine Gäste zu einer Reise durch die Entwicklung der Stadt einlädt. Mein Bruder Fritz muss bei Bühl aber nicht an die Entwicklung der Stadt denken, sondern an die des hier angebauten Weins.

Er erläutert uns: „In dieser Gegend entsteht nicht nur wegen des guten und sandigen Bodens so ein hervorragender Wein, sondern auch wegen des tollen Klimas mit besonders vielen Sonnenstunden.“ Der Wein hier sei von der Sonne nicht verschont, sondern im Gegenteil extrem verwöhnt. Rein auf die Sonnenstunden bezogen, stehe diese Region sogar im direkten Wettbewerb mit der Insel Usedom an der Ostsee.

Viele Sonnenstunden

Unser „Experte“ führt diese Tatsache noch weiter aus: „Zwar haben die dort an der Ostsee insgesamt noch ein paar Sonnenstunden mehr als wir, dafür aber keinen Wein.“ Damit hat er natürlich vollkommen recht. Es verwundert daher wenig, dass es in Bühl eine Vielzahl von Weinerzeugern gibt. Ein kleiner gedanklicher Abstecher in Sachen Wein: Zuallererst ist die gesamte Region Ortenau Heimat des Rieslings, aber auch der Burgunder ist hier zu Hause. Das „Weinparadies Ortenau“ ist ein Zusammenschluss von 50 Weinbaubetrieben und liegt im Herzen Badens, genauer gesagt zwischen Gernsbach und Gengenbach.

Meine Gedanken schweifen bei dieser Überlegung ab nach Durbach, durch welches wir später noch fahren werden. Dort kaufe ich selbst gern und häufig meinen Wein, den ich dann üblicherweise in meiner Wahlheimat Stralsund an der Ostseeküste mit Freunden genieße. Entsprechend bin ich während meiner durchaus häufigen Schwarzwaldbesuche bei den örtlichen Weingütern sowie auch bei den Winzergenossenschaften als guter Kunde gern gesehen.

Die Durbacher haben folgende Redensart verinnerlicht: „Wein ist Durbach und Durbach ist Wein – Ortenau eben!“ Ja, die Region ist schon etwas für Kenner und Genießer, das dürfen wir die ganze Tour lang erleben. So in Gedanken kann ich sogar eine Gemeinsamkeit zwischen uns und den Weinreben ausmachen: Wir alle freuen uns über zahlreiche Sonnenstunden.

Lustiger Schnapsbrunnen

Mit den Gedanken zurück in Bühl, fällt mein Blick auf die Burgruine Alt-Windeck die hoch oberhalb der Stadt thront. Wer im Bühlertal keinen Kaffee-Stopp einlegen möchte, kann diesen auf der romantischen Seeterrasse am Wildgehege neben der L 86 genießen. Bei der Weiterfahrt ruft mir Fritz zu: „Jetzt muss ich dir unbedingt etwas Besonderes an der Gaishöll zeigen.“

Tatsächlich, ich bin beeindruckt: Hier gibt es einen Schnapsbrunnen. Für einen kleinen Kostenbeitrag kann man sich ein Gläschen genehmigen. Jetzt kenne ich wenigstens einen Ort in Deutschland, an dem ich für „einen schlappen Euro“ etwas Gehaltvolles bekommen kann. Als verantwortungsvoller Fahrer verzichte ich aber selbstverständlich. Insgesamt gibt es in der Region, genauer gesagt auf der Gemarkung Sasbachwalden, übrigens gleich zehn solcher Schnapsbrunnen.

Das Wasser des Brandbachs stürzt hier durch eine enge Schlucht hinab, die Gaishöll genannt wird. Auf diese Weise entstand im Lauf der Jahrtausende eine wildromantische Waldschlucht mit vielen sehenswerten Wasserfällen. „Höll“ ist ein althergebrachter Name für eine enge, wilde Gegend mit vielen Felsen und Steinen. Wer den circa 800 Meter langen Weg über 225 Stufen und 13 Brücken sowie den Höhenunterschied von 154 Metern hinter sich lässt, meint das Zuhause vom wilden Waldschrat, von grummeligen Trollen, verwunschenen Elfen und Baumgeistern oder sonstigen sagenumwobenen Wesen gefunden zu haben.

Schmückende Blumen

Weiter geht es für uns in das bekannte Blumen- und Fachwerkdorf Sasbachwalden. Warum der Ort so genannt wird, ist uns schnell klar: Wo wir auch hinblicken, schmücken bunte Blumen die Häuser und öffentlichen Plätze. Die badische Genussmeile Sasbachwaldens verbindet fast alle Restaurants und Weinerzeuger des Ortes. Auch dort prägen die Weinberge das Bild der örtlichen Umgebung. Sogar ein Michelin-Stern glänzt hier am kulinarischen Himmel, und zwar über dem „Hotel Talmühle“ mit seinem „Restaurant Fallert“ – und das schon seit 1977.

Wer in Sasbachwalden übernachten möchte, kann dies nicht nur in einem Hotel, sondern auch in einem waschechten Weinfass. Der „Hof Wild“ bietet dieses Erlebnis an. Für uns ist das aber nichts. Es ist noch früh am Tag und wir wollen das herrliche Wetter auf unserer Weiterfahrt genießen.

Interessant ist, dass oberhalb von Sasbachwalden zurzeit eine weitere Attraktion entsteht: Die Grundig-Erbin Maria Wruck investierte etwa 20 Millionen Euro ihres Privatvermögens und lässt dort die „Anima Tierwelt Breitenbrunnen“ errichten. Auf einer Fläche von mehr als 50 Hektar sollen Besucher zukünftig die Tiere des Schwarzwalds in ihrer natürlichen Umgebung erleben können. Gleichzeitig soll es einen Schaubauernhof, einen Erlebnisspielplatz sowie einen Gasthof geben.

Tiefer ins Weinparadies

Jetzt kommen genau die 40 Kilometer, die dieser Tour erst den richtigen Spirit verleihen und den Winzerkurven die Krone aufsetzen: Man fährt quasi direkt durch die Reben hindurch und sieht Weinlage neben Weinlage. Besonders im Herbst ist dies eine atemberaubende Farbenpracht. Die Fahrt bringt uns durch Stadelhofen, gefolgt von Nussbach und weiter durch Durbach, dort, wo der große „Durbacher Plauelrain“ von den namhaften Winzern der Weingüter Laible oder Männle ausgebaut wird – und, na klar, ich erinnere mich erneut an den schon erwähnten Durbacher Spruch.

Weiter geht es über Oberkirch durch Ringelbach nach Kappelrodeck, dorthin, wo ebenfalls ganz bekannte Rotweine ihr Zuhause haben. Dazu gehören zum Beispiel die „Hex vom Dasenstein“ oder der „Waldulmer Pfarrberg“. Zusammen mit seinem Ortsteil Waldulm gehört Kappelrodeck zu den bekanntesten deutschen Rotweingemeinden. Hier wird auch Sekt nach dem französischen Prinzip der Flaschengärung hergestellt.

Im Anschluss lenken wir unsere Motorräder abermals in Richtung Schwarzwaldhochstraße. Auf dem Weg dorthin passieren wir die berühmten Wasserfälle in Allerheiligen. Über 83 Meter stürzt das Wasser hier laut tosend in sieben Kaskaden als beeindruckendes Wasserspiel hinab ins Lierbachtal.

Viele Michelin-Sterne

Wieder oben auf dem Ruhestein, kreuzen wir erneut die B 500, fahren aber über die L 401 herunter in Richtung Obertal. Bergab fahrend erreichen wir Baiersbronn, den Ort mit den meisten Sterne-Restaurants Deutschlands. Es gibt in unserem Land keinen Ort, der eine höhere Dichte an Sterne-Köchen aufweist als dieser. Ein Menü in der „Schwarzwaldstube“ im „Hotel Traube Tonbach“, im Restaurant des „Hotels Bareiss“ oder dem „Gourmetrestaurant Schlossberg“ ist ein Gaumenerlebnis der Sonderklasse. Doch wir sind heute nicht passend gekleidet für solch eine Unternehmung.

Wieder nach Hause

Ab Baiersbronn folgen wir der ebenso schönen wie kurvenreichen B 462, biegen aber in Heselbach rechts auf die L 409 in Richtung Igelsberg ab, um die zahlreichen Blitzer zu umgehen. Ab Igelsberg führt uns die Route über die L 362 zur Nagoldtalsperre. Hier besuchen wir den Biergarten vom „Seeheiner“, einem beliebten Biker-Stopp. Und schon ist der Kreis geschlossen und wir befinden uns auf dem Weg zurück zum Ausgangsort Bad Wildbad. Am Ende des Tages zählt der Kilometerzähler nur die nüchterne Distanz, jedoch bei Weitem nicht den Heidenspaß und die unfassbare Freude, die positiven Eindrücke sowie die grandiosen Sehenswürdigkeiten und herrlichsten Landschaften des Schwarzwalds, die wir unterwegs genossen haben.